08.07.2020 - Gegen das Vergessen

Ausstellung - Erinnerung

Wir wollen diesen Menschen und ihrem Schicksal wieder ein Gesicht geben.“ In einem Satz fasste Josef Balke, der ehemalige stellvertretende Schulleiter der Herta-Lebenstein-Realschule, den Ansatz hinter einer Roll-Up-Ausstellung zusammen, die während der Sommerferien in den Schaufenstern des Ateliers Salamander in der Dufkampstraße zu sehen ist.

Offiziell wurde diese nun vorgestellt. 

Über zehn Jahre haben Mitglieder des VHS-Arbeitskreises „Stadtlohner Geschichte 1933-1945“ die Ausstellung mit dem Titel Jüdische Familien in Stadtlohn. Ihre Schicksale im Nationalsozialismus“ vorbereitet. Präsentiert werden sollte diese bereits am 9. November 2019, doch kurz zuvor verstarb der Ausstellungsgrafiker Uwe Esperester plötzlich.

Die Ausstellung trägt weiter die Handschrift von Uwe Esperester“, erklärte VHS-Direktor Dr. Nikolaus Schneider. Entstanden sind 15 Roll-Up-Displays, die textlich und grafisch übersichtlich nachzuvollziehen sind. Insgesamt waren 20 bis 25 Personen im Arbeitskreis an diesem Prozess, der noch nicht abgeschlossen ist, beteiligt insbesondere neben Josef Balke die Historikerin Ingeborg Höting sowie Stadtarchivar Ulrich Söbbing. Bedient hat sich der Arbeitskreis der vielfältigen Archive, aber vor allem die Kontakte zu Zeitzeugen und deren Nachfahren förderten die Entwicklung dieses Projektes, das den Blick auf die Opfer richtet. Die erste Station zeigt anhand eines Stadtplans von 1911, dass die jüdischen Familien mittendrin“ lebten - nicht nur geografisch. Sie spiegelten die Stadtlohner Gesellschaft wider, einige waren bitter arm, andere nicht. Die typischen Vorurteile passen so gar nicht“, berichtete Balke. In den 1930er-Jahren wohnten in Stadtlohn 50 jüdische Personen unter den 6500 Einwohnern, also weniger als ein Prozent“. Die meisten wurden ermordet. An der zweiten Station werden zum einen die ehemalige Synagoge in der Hagenstraße, zum anderen die beiden jüdischen Friedhöfe dokumentiert. Der Schwerpunkt der Ausstellung widmet sich den jüdischen Familien, die im Jahre 1933 in Stadtlohn gelebt haben und die während des Zweiten Weltkrieges deportiert wurden. Darunter auch Max Heinz Meyers, der gleich mehrere Vernichtungslager überlebte. Mir war es wichtig, dass in den Texten ausgedrückt wird, wie diese Menschen behandelt wurden“, so Balke. Die vorletzte Station zeigt ein Foto mit den deportierten Familien vom 10. Dezember 1941. Darunter zu finden war auch Herta Lebenstein, die Namensgeberin der Herta-Lebenstein-Realschule. Dieses Foto hat mich nicht losgelassen. Herta Lebenstein war auf diesem Foto so alt, wie Schüler es heute sind, wenn sie von der Schule entlassen werden. Die einen gehen ins Leben, die anderen in den Tod“, erläuterte Josef Balke den Prozess, der letztlich zur Umbenennung der Städtischen Realschule geführt hatte. Ausgangspunkt für die Recherche sei letztlich auch dieses letzte Foto“ gewesen.

Zusammen mit den Initiatoren des Projekts Stolpersteine haben wir dann die einzelnen Puzzleteile zusammengetragen und Jahr für Jahr entwickelt. Ein nicht einfacher Prozess, da man zwar viele Fragen gestellt, aber nicht immer Antworten erhalten hat“, so Josef Balke. Lokale Geschichtsschreibung ist schon etwas Spezielles und nicht immer einfach“, bestätigte Dr. Nikolaus Schneider. Mit dem Datum 13. Dezember 1941, der Deportation nach Riga, endet die Ausstellung.

Wer sich umfangreicher mit dem Thema beschäftigen möchte, für den sind auf den Roll-Up-Displays QR-Codes aufgeführt, die einen virtuellen Rundgang ermöglichen. „Dadurch wollen wir vor allem auch die jüngere Bevölkerung ansprechen, die diese Erinnerungskultur bewahren soll“, sagte Josef Balke. Ebenso sei ein Flyer zur Ausstellung geplant.

Nach den Sommerferien soll die Ausstellung ins VHS-Haus an der Klosterstraße umziehen. Dort werden dann auch Führungen durch die Mitglieder des Arbeitskreises angeboten. Das hatten wir ursprünglich auch im ehemaligen Schuhhaus Hornhues geplant. In der Corona-Zeit ist das nun nicht möglich“, so Dr. Nikolaus Schneider. Aus dem Grund, möglichst flexibel zu sein, habe man sich letztlich auch bewusst für Roll-Up-Displays entschieden: Die Schaufensterausstellung ohne Zugangsschwelle bietet sich als Einstieg besonders gut an. Später kann ich sie mir sehr gut auch in Schulen vorstellen.

“ Die große Anzahl an Förderern Bürgerstiftung Aktive Bürger“, Rotary Club Stadtlohn Hamaland, Sparkasse Westmünsterland, Stadtlohner Heimatverein, Stadt Stadtlohn, VHS-Förderverein IMKA und VR-Bank Westmünsterland – belege auch, wie wichtig den Stadtlohnern der Zugang zu ihrerGeschichte ist

(Quelle: Münsterland Zeitung