Neumühlenschule
GEMEN. Es gibt Tasten-, Saiten- und Blasinstrumente. Es gibt Keyboards und Synthesizer. Und es gibt „Soundbeam“. Ein solcher „Klangstrahl“ ist neuerdings öfter in der Neumühlenschule zu hören. Das Besondere an dem in England entwickelten System aus Mikros, Verstärkern, „Tastern“ und weiteren Modulen: Die Klänge können durch Körperbewegungen erzeugt werden. „Das kommt unseren Schülern sehr entgegen“, sagt Lehrer Tobias Heynen, der „Soundbeam“ mit zunächst drei Jugendlichen mit Behinderung ausprobiert.
Yul ist der Gitarrist, Wolke das Mädchen an den Tasten und Lilli „spielt“ Harfe. Eine virtuelle Harfe. „Lilli projiziert die Klänge praktisch in den Raum“, erklärt Heynen. Das geht so: Je nachdem, wie sie sich im Rollstuhl auf das mit Sensoren bestückte Mikro zubewegt oder davon weg, werden die gespeicherten Töne hell, oder heller, lauter oder leiser. Lilli hat offensichtlich Spaß an der Bewegung, fährt ausgelassen auf und ab, während Heynen das Mikro neu ausrichtet.
Ganz in seinem Element ist auch Yul. Bei einem „Air Guitar“-Wettbewerb würde er bestimmt einen vorderen Platz belegen, so flink wie er seine Finger durch die Luft wirbeln und seinen Oberkörper hin- und herwiegt. Zusätzlich zum so erzeugten Sound gibt es visuelle Reize. Während Yul ein ausgiebiges Gitarren-Solo raushaut, sind auf dem Whiteboard vor ihm Szenen eines Open-Air-Konzerts zu sehen. Das stimuliert noch mal extra. Yul ist mittendrin. Bei „Stille Nacht, heilige Nacht“, das ebenfalls zum ersten Repertoire der drei „Soundbeamer“ gehört, kommt Wolke zum Zuge. Zum Druck auf die vier farbigen Tasten sind winterliche, weihnachtliche Bilder zu sehen.
Tobias Heynens Anliegen ist die Teilhabe per Musik. Für seine allwöchentlichen „Singpausen“ gewann er während des Corona-Lockdowns prominente Unterstützer wie zum Beispiel Jupiter Jones. Manche Videos wurden tausendfach aufgerufen. Auch bei „Soundbeam“ freut sich Heynen, dass sich seine Schüler freuen. Die Bandbreite „physischer“ Musikinstrumente sei wegen der Handicaps der Schüler gering. „Ich kann nicht jedem eine Gitarre in die Hand drücken“, sagt er. Durch die einfache Handhabung des neuen Systems könnten mehr Jugendliche Musik machen. Konventionell gemachte Musik gibt es in der Neumühlenschule und der benachbarten Lebenshilfe natürlich nach wie vor, wie die Hausband „Voll dabei“ bei Festen immer wieder unter Beweis stellt.
„Soundbeam“ erweitere die Möglichkeiten für die Kinder, über Klang und Rhythmus zu interagieren, freut sich auch Schulleiterin Silke Nürnberg über die Anschaffung. Entwickelt worden sei das System bereits in den 1980er Jahren in England. In der integrativen und musiktherapeutischen Arbeit in Deutschland sei es jedoch noch wenig verbreitet. Die Anschaffung für die Neumühlenschule wurde durch eine Spende der Stiftung Aktive Bürger möglich.
Ob die Gemener Soundbeamer eines Tages auch mal bei einem Openair auftreten können, ist noch nicht besprochen. Yul und seine Bandkollegen hätten sicherlich nichts dagegen.
( Autor: Peter Berger / Quelle: Borkener Zeitung)